Neuer Wehrdienst auf dem Weg - Pistorius: «Riesenschritt»

Pressekonferenz nach Kabinettssitzung im Bendlerblock
© Britta Pedersen/dpa

Bundeswehr

Berlin (dpa) - Neuer Wehrdienst, Sicherheitsrat, militärische Sicherheit: Das Kabinett hat ein Gesetzespaket zur Stärkung der Bundeswehr gebilligt und setzt dabei auf verpflichtende Wehrerfassung und Musterung junger Männer, aber Freiwilligkeit im Dienst. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete den Gesetzentwurf zur Einführung eines neuen Wehrdienstes als «Riesenschritt nach vorne». Wenn der Bundestag zustimmt, soll das Gesetz zum 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte nach der Kabinettssitzung, die erstmals seit 19 Jahren im Verteidigungsministerium in einem abhörsicheren Raum stattfand, er sei zuversichtlich, dass die Zahl nötiger Freiwilliger erreicht werden könne.

Er verwies auch auf die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit einer verpflichtenden Heranziehung für den Fall, dass nicht genügend Freiwillige gewonnen werden können. «Wir sind damit wieder zurück auf dem Weg hin zu einer Wehrdienstarmee», sagte Merz. Das sei eine gute Entwicklung, die er ausdrücklich begrüße. Er verwies auch auf die Bedrohung durch Russland.

Von 2027 an kommt die verpflichtende Musterung 

Für junge Männer ab dem Jahrgang 2008 bedeuten die Pläne einige Änderungen: Sie müssen vom 1. Januar nächsten Jahres in einem Fragebogen Auskunft geben, ob sie zu einem Wehrdienst fähig und bereit sind. Dies ist Teil der Wehrerfassung. Junge Frauen können die Fragebögen ausfüllen, sind aber nicht dazu verpflichtet.

Zunächst wird nur eine Auswahl des Jahrgangs zu einem «Assessment» - einer Beurteilung - eingeladen. «Darüber hinaus ist vorgesehen, dass ab dem 1. Juli 2027 auch die Musterung für Männer verpflichtend sein wird», teilte das Verteidigungsministerium mit. Limitierender Faktor sind zunächst noch Kapazitäten für ärztliche Untersuchungen und Beurteilungen.

Der Dienst soll attraktiver werden

Ab Dienstbeginn werden alle neuen Wehrdienstleistenden in den Status eines Soldaten auf Zeit berufen und können dabei Verpflichtungszeiten von 6 bis zu 23 Monaten wählen. «Wir ermöglichen eine bestmögliche Qualifikation, gerade bei denen, die länger bleiben», verspricht Pistorius und nennt Sprachkurse, Führerscheine und IT-Lehrgänge. Der Sold werde bei 2.300 Euro netto liegen, wobei Unterkunft und ärztliche Versorgung kostenfrei sind.

Pistorius machte deutlich, dass er von einem Erfolg freiwilliger Angebote im Wehrdienst überzeugt sei. Er verwies auf steigende Zahlen - noch bevor zusätzliche Anreize wirken. «Wir haben für dieses Jahr 15.000 angepeilt und sind jetzt im August schon bei knapp 13.000 angelangt», sagte Pistorius. Ziel sei es, bis 2029 auf jährlich 30.000 zu kommen und dann 110.000 Wehrdienstleistende ausgebildet zu haben. 

Kritik vom Bundeswehrverband

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, beklagt Mängel an dem Gesetz für den neuen Wehrdienst. «Der Gesetzentwurf ist im Vergleich zur letzten Legislaturperiode zwar eine Verbesserung, greift aber bezogen auf die strategische Herausforderung der Personalgewinnung und -bindung immer noch zu kurz», sagte Wüstner der Deutschen Presse-Agentur.

Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt, ist aber weiter im Grundgesetz verankert. Sie kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag wieder eingeführt werden und tritt auch in Kraft, wenn der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellt.

Nach den neuen Nato-Zielen muss die Bundeswehr eine Personalstärke von mindestens 260.000 Männern und Frauen in der aktiven Truppe und 200.000 Reservistinnen und Reservisten erreichen. Als Gast nahm an der Kabinettssitzung auch der neue Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Europa (Saceur) teil, Vier-Sterne-General Alexus Grynkewich. 

Zwei weitere Projekte 

Das Kabinett setzte auch zwei weitere Projekte aufs Gleis. Darunter ist der Nationale Sicherheitsrat: Die Bundesregierung hat die Einrichtung einer solchen zentralen Schaltstelle beschlossen, die bei Krisen tagen und schnelle Entscheidungen herbeiführen kann, aber auch Strategien für Bedrohungslagen erarbeitet und Sicherheit vernetzt angeht. Den Vorsitz hat der Bundeskanzler, derzeit also Merz.

Merz bezeichnete das Gremium nach dem Kabinettsbeschluss als zentrale Plattform für übergreifende Sicherheitsfragen und wichtigen Baustein für eine Sicherheitspolitik aus einem Guss. Über einen Nationalen Sicherheitsrat sei seit 30 Jahren diskutiert worden, nun habe die neue Bundesregierung nach vier Monaten den Beschluss gefasst.

Die Ministerrunde billigte dazu ein Gesetz zur Stärkung der Bundeswehr. Es stelle wesentliche Weichen, um die militärische Sicherheit zu erhöhen und die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr besser zu schützen, teilte das Verteidigungsministerium mit. 

Es führt neue Befugnisse ein, damit der Militärische Abschirmdienst (MAD) seine Aufgaben effektiv erfüllen könne, auch bei Truppenstationierungen im Ausland. Zudem wird die Einstellungsüberprüfung von Soldaten neu geregelt. Auch erhalten Militärpolizisten («Feldjäger») und zivile Wachleute neue Befugnisse, um die militärische Sicherheit zu stärken, auch beim Überprüfen verdächtiger Personen.

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Pressekonferenz nach Kabinettssitzung im Bendlerblock
Pressekonferenz nach Kabinettssitzung im Bendlerblock© Britta Pedersen/dpa
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Kabinettssitzung im Bundesverteidigungsministerium
Kabinettssitzung im Bundesverteidigungsministerium© Britta Pedersen/dpa
Kabinettssitzung im Bundesverteidigungsministerium
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Kabinettssitzung im Bundesverteidigungsministerium
Kabinettssitzung im Bundesverteidigungsministerium© Britta Pedersen/dpa Pool/dpa
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