Debatte über Sicherheitsgarantien nach Ukraine-Gipfel

Ukraine-Treffen in Washington
© Alex Brandon/AP/dpa

Frieden für die Ukraine

Washington/Berlin (dpa) - Nach dem Ukraine-Gipfel in Washington wird in Deutschland und der EU verstärkt über Sicherheitsgarantien für das von Russland angegriffene Land nach einem Friedensschluss diskutiert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte vor einem vorschnellen Friedensvertrag ohne Absicherung. «Dieser Frieden darf nicht überstürzt werden und muss durch solide Garantien abgesichert sein, sonst stehen wir wieder am Anfang», sagte Macron dem Sender TF1/LCI.

Über die Ergebnisse des Gipfels im Weißen Haus vom Montag berieten am Tag danach zunächst die in der sogenannten Koalition der Willigen zusammengeschlossenen Unterstützer der Ukraine und später die EU-Staaten. Beide Runden tagten in Videoschalten.

US-Präsident Donald Trump strebt ein Zweiertreffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Kremlchef Wladimir Putin an. Danach solle es ein Dreiertreffen geben, an dem auch er teilnehmen werde, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Zuvor hatte Trump am Montag Selenskyj und mehrere europäische Staats- und Regierungschefs sowie die Spitzen der Nato und der EU-Kommission im Weißen Haus empfangen. Zwischenzeitlich waren die Beratungen unterbrochen worden, weil Trump mit Putin telefonierte. 

Laut Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist das Selenskyj-Putin-Treffen innerhalb der nächsten zwei Wochen geplant. 

Verhaltene Reaktion aus Moskau

Die öffentliche Reaktion aus Russland war zunächst verhalten. Moskau sei prinzipiell für jedes Gesprächsformat offen, sagte Außenminister Sergej Lawrow im Staatsfernsehen. «Aber alle Kontakte unter Beteiligung der Staatschefs müssen äußerst sorgfältig vorbereitet werden», fügte er hinzu. Schon zuvor hatte Russland mit diesem Argument Forderungen Selenskyjs nach einem schnellen Treffen mit Putin zurückgewiesen. Nach Ansicht Moskaus müssen zuerst Delegationen auf unterer Ebene eine Vereinbarung aushandeln. 

Ausgestaltung von Sicherheitsgarantien ist offene Frage

Trump erklärte sich zwar dazu bereit, dass die USA Sicherheitsgarantien mittragen werden, Details ließ er nach dem Treffen in Washington zunächst aber offen. Er versicherte mit Blick auf die Ukrainer nur: «Wir werden ihnen sehr guten Schutz geben, sehr gute Sicherheit.»

In einem Gespräch mit dem US-Sender Fox News am Dienstag wurde Trump etwas konkreter. Er ging davon aus, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien dazu bereit seien, zur Absicherung eines möglichen Friedens Soldaten in die Ukraine zu schicken. «Wenn es um die Sicherheit geht, sind sie bereit, Bodentruppen zu entsenden», sagte er. Die Vereinigten Staaten seien unterdessen bereit, die Verbündeten – etwa aus der Luft – zu unterstützen.

Selenskyj bezeichnete Sicherheitsgarantien für sein Land - also Maßnahmen zum Schutz vor neuen Angriffen - als vorrangig für einen Frieden mit Russland. «Es ist sehr wichtig, dass die Vereinigten Staaten ein starkes Signal geben und bereit sind für diese Sicherheitsgarantien.» Zudem hänge die Sicherheit der Ukraine auch von den europäischen Verbündeten ab.

Macron sagte, die erste Sicherheitsgarantie sei ein starkes ukrainisches Militär. Die zweite Garantie bestehe aus Rückversicherungstruppen und der Ansage, «dass die Briten, Franzosen, Deutschen, Türken und andere bereit sind, Operationen durchzuführen, nicht an der Front, nicht provokativ, sondern zur Beruhigung in der Luft, auf See und an Land, um ein strategisches Signal zu setzen und zu sagen: Ein dauerhafter Frieden in der Ukraine ist auch unser Anliegen».

Auf die Frage, ob diese Rückversicherungstruppen im Falle eines russischen Angriffs gezwungen wären, zu kämpfen, sagte Macron dem Sender: «Das ist das Ziel dieser Sicherheitsgarantien.» Wenn Russland nach einem Friedensabkommen an die Grenzen Europas zurückkehre und provoziere, dann gäbe es in diesem Moment eine Reaktion.

Russland lehnt eine Stationierung von Truppen aus Nato-Staaten in der Ukraine bislang kategorisch ab.

«Wachsende Dynamik» bei Garantien - Abstimmung mit USA

EU-Ratspräsident António Costa sprach nach den Beratungen der EU-Länder von einer «wachsenden Dynamik hinsichtlich der Bereitstellung von Sicherheitsgarantien für die Ukraine». Jetzt sei es an der Zeit, «unsere praktische Arbeit zu beschleunigen, um eine Garantie ähnlich dem Artikel 5 der Nato unter fortgesetztem Engagement der Vereinigten Staaten zu schaffen», sagte Costa bei einer Pressekonferenz. Es sei die Sicherheit der Ukraine und Europas, die auf dem Spiel stehe.

Nach Angaben des britischen Premierministers Starmer wollen sich Vertreter der sogenannten Koalition der Willigen nun mit ihren US-Partnern treffen, um Sicherheitsgarantien für Kiew zu konkretisieren. Es werde dabei auch darum gehen, die Vorbereitungen für den Einsatz von Friedenstruppen im Falle einer Waffenruhe voranzubringen, erklärte er nach der Videoschalte von rund 30 Staats- und Regierungschefs. Costa erklärte, diese Gespräche sollten in den kommenden Tagen, voraussichtlich noch in dieser Woche, stattfinden. 

Pistorius: Arbeiten an Sicherheitsgarantien

Verteidigungsminister Boris Pistorius zufolge werde mit Hochdruck an den Sicherheitsgarantien gearbeitet. «Wie ein deutscher Beitrag zu den Sicherheitsgarantien aussehen wird, steht derzeit noch nicht fest und wird politisch und militärisch festzulegen sein», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur, nachdem Obleute des Bundestages am Dienstag über den Sachstand unterrichtet wurden. 

 «Wir berücksichtigen dabei erstens den Verlauf der Verhandlungen, zweitens einen möglichen Beitrag der USA und drittens die Abstimmungen mit unseren engsten Partern», sagte Pistorius weiter. «Natürlich ist dabei auch zu prüfen, welche Bereitschaft Russland zeigt, zu einer Friedenslösung zu kommen.»

Debatte über deutsche Beteiligung

Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte im Deutschlandfunk während seiner Japan-Reise, letztlich müssten Sicherheitsgarantien einfach bedeuten, dass man nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten an der Seite der Ukraine stehe. Über eine Beteiligung der Bundeswehr an einer möglichen Friedenstruppe müsse auch mit der Opposition gesprochen werden. Entscheiden werde der Bundestag.

«Sicherheitsgarantie heißt, dass man Beistand leistet in dem Fall, dass Russland sich an eine Friedensvereinbarung mit der Ukraine nicht hält. Und damit muss man ja rechnen, nachdem Russland ohne jede Not und ohne jede Motivation die Ukraine angegriffen hat», sagte Wadephul. 

Die FDP-Europaabgeordnete Strack-Zimmermann verlangte von Europa ein geschlossenes Auftreten und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. «Deutschland muss hier eine Führungsrolle übernehmen. Dazu gehören militärische Unterstützung, wirtschaftliche Unterstützung und eben klare Sicherheitsgarantien», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. 

Merz: Hohe deutsche Verantwortung bei Sicherheitsgarantien

Merz hatte in Washington gesagt, die Frage, wer sich in welchem Umfang an Sicherheitsgarantien beteilige, müsse man zwischen den europäischen Partnern und der US-Regierung besprechen. «Völlig klar ist, dass sich ganz Europa daran beteiligen sollte.» Deutschland habe «eine hohe Verantwortung», dies zu tun. Auf die Frage, ob sich auch die Bundeswehr daran beteiligen könnte, antwortete Merz, es sei zu früh, darauf eine endgültige Antwort zu geben. 

Beistandsklausel wie im Nato-Vertrag im Gespräch

Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte im US-Sender Fox News nach dem Treffen in Washington, es gehe auch nicht um eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, sondern «was wir hier diskutieren, sind Sicherheitsgarantien für die Ukraine gemäß Artikel 5».

Artikel 5 des Nato-Vertrags regelt, dass die Bündnispartner im Fall eines Angriffs auf die Unterstützung der Alliierten zählen können und eine Attacke auf ein Mitglied als Angriff auf alle gewertet wird. Schon vor dem Gipfel war ein Nato-ähnliches Schutzversprechen der USA und europäischer Staaten an die Ukraine im Gespräch gewesen - was letztendlich ein militärisches Eingreifen im Fall eines Angriffs bedeuten würde. 

Uneinigkeit über Notwendigkeit einer Waffenruhe 

Bei dem Treffen im Weißen Haus wurde die Frage einer sofortigen Waffenruhe als Voraussetzung für Friedensverhandlungen unterschiedlich bewertet. Auch Trump hatte dies ursprünglich verlangt. Nach seinem Treffen mit Putin am vergangenen Freitag im US-Bundesstaat Alaska gab er diese Position jedoch auf. Nicht so Kanzler Merz: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nächste Treffen ohne eine Feuerpause stattfindet», sagte er im Weißen Haus. 

Selenskyj verzichtete dagegen auf die Forderung nach einer Waffenruhe vor einem Treffen mit Putin «Ich finde, dass wir uns ohne irgendwelche Vorbedingungen treffen und darüber nachdenken müssen, wie dieser Weg zur Beendigung des Krieges weitergehen könnte», sagte er. 

Trump sagte bei seinem Treffen mit Selenskyj, er möge zwar das Konzept einer Feuerpause, weil damit das Töten von Menschen sofort aufhören würde. «Aber wir können an einem Deal arbeiten, wo wir auf ein Friedensabkommen abzielen.»

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Ukraine-Treffen in Washington
Trump beriet sich mit Selenskyj und europäischen Staats- und Regierungschefs.© Alex Brandon/AP/dpa
Trump beriet sich mit Selenskyj und europäischen Staats- und Regierungschefs.
© Alex Brandon/AP/dpa
Ukraine-Treffen in Washington
Selenskyj und Trump sprachen vor Journalisten - diesmal ohne Eklat.© Julia Demaree Nikhinson/AP/dpa
Selenskyj und Trump sprachen vor Journalisten - diesmal ohne Eklat.
© Julia Demaree Nikhinson/AP/dpa
Ukraine-Treffen in Washington
Der Empfang für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus war freundlich.© Alex Brandon/AP/dpa
Der Empfang für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus war freundlich.
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Ukraine-Treffen in Washington
Auch Bundeskanzler Merz war bei dem Treffen dabei.© Jacquelyn Martin/AP/dpa
Auch Bundeskanzler Merz war bei dem Treffen dabei.
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Ukraine-Treffen in Washington
Merz sprach sich für eine schnelle Waffenruhe aus.© Alex Brandon/AP/dpa
Merz sprach sich für eine schnelle Waffenruhe aus.
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Der ukrainische Präsident erklärte sich zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit.© Jacquelyn Martin/AP/dpa
Der ukrainische Präsident erklärte sich zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit.
© Jacquelyn Martin/AP/dpa
Ukraine-Treffen in Washington
Merz zog eine positive Bilanz des Ukraine-Gipfels in Washington.© Kay Nietfeld/dpa
Merz zog eine positive Bilanz des Ukraine-Gipfels in Washington.
© Kay Nietfeld/dpa

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